Das was wir als Liebe kennen und fühlen, ist ein komplexer Prozess unterschiedlichster Gehirnareale. Ein Liebeszentrum selbst existiert nicht! Liebe gleicht einer Art Emotionsspirale, in die verschiedene Körperregionen involviert sind. „Ein Gefühl ist [somit] das Ergebnis einer Interaktion vieler Gehirnbereiche. Für die Liebe ist das limbische System in der Mitte des Gehirns sehr wichtig. Von hier aus wird das einzigartige Gefühl der Lust gesteuert“, wie die Emotionsforscher Bode, Krüger, Raabe und Zirwes bereits zur Jahrtausendwende herausfanden. Die Artikel zur Biochemie der Liebe gehen hier ins Detail.

Wenn wir uns verliebt haben, wollen wir mehr von diesem Gefühl erfahren. Wir wollen unser Erleben in das eines anderen integrieren, um gemeinsam erleben zu können. Übereinstimmungen in Charakter und Weltbild helfen uns bei der gemeinsamen Konstruktion einer Beziehung, denn beim gemeinsamen erleben ist es hilfreich, wenn die Wahrnehmung etwa gleiche Erwartungen stellt und vergleichbar normativ eingeschätzt werden kann. Auch nach einer leidenschaftlichen Zeit des Kennenlernens, binden sich Menschen oft dauerhaft aneinander. Die meisten Partnerschaften basieren dafür auf fundamentalen Grundsätzen.

Einer der wichtigsten ist die gegenseitige Treue. Die Partnerforscherin Lilli Palmer formulierte treffend: „Treue kann man nicht verlangen. Sie ist ein Geschenk!“ und eine Treueverletzung ist nicht selten ein ultimativer Vertrauensbruch. In 2016 führte das Datingportal Parship eine Umfrage durch die ergab, dass 19% aller Befragten (trotz glücklicher Beziehung) schon einmal fremd gegangen sind. Treue vermittelt das Gefühl von Exklusivität – sie bestätigt uns darin etwas zu erleben, was allen anderen Menschen auf der Welt vorenthalten bleibt.

Und ja – Treue lässt sich tatsächlich wissenschaftlich nachweisen. US-Forscher untersuchten Verhaltensunterschiede bei amerikanischen Prärie- und Bergwühlmäusen. Letztere leben sehr promiskuitiv, ihre Artgenossen aus der Prärie binden sich jedoch oftmals ihr gesamtes Leben an den Partner, mit dem sie den ersten Sex hatten. Trotz hoher genetischer und phänotypischer Gleichheit der Mäusearten, haben Forscher im Blut der Prärie-Nager deutlich höhere Oxytocin-Level sowie einen höheren Anteil an Vasopressin nachweisen können.

Oxytocin und Vasopressin sind Peptidhormone, die (genau wie Insulin) aus einer Kette vieler Aminosäuren bestehen. Die Gehirnrezeptoren der Prärietiere sind zudem viel verdichteter als bei den untreuen Bergwühlmäusen. Anscheinend sind die Tiere also ein höheres Level an Glückshormonen gewöhnt. Weshalb die Mäuse sich in dieser Lebensweise unterscheiden ist schwer zu sagen. Vermutlich hatte die Bindung auf ein einziges Partnertier irgendwann einen Überlebensvorteil für die Gruppe, welcher bei den Bergwühlmäusen nicht vorherrschte. Oder die Bergpopulation fürchtet mehr Fressfeinde und kann sich den Luxus einer Partnerschaft aus reproduktions-taktischen Gründen nicht leisten. Viel wichtiger war den Wissenschaftlern der signifikante Oxytocin-Unterschied.

Auf Basis dieser Einsicht führten die Wissenschaftler zwei Versuchsreihen durch, die erstaunliche Erkenntnisse lieferten. Zunächst der Oxytocin-Versuch: Verabreicht man den treuen Präriewühlmäusen ein Oxytocin-Blocker-Medikament, verhalten sich die männlichen Tiere wie die Bergwühlmäuse und verlieren tatsächlich ihr Interesse an einer monogamen Partnerschaft mit nur einem Weibchen, wenn man ihnen die körpereigene Oxytocin-Versorgung vorenthält. Im zweiten Schritt, widmeten die Forscher im Vasopressin-Versuch ihre Aufmerksamkeit den Bergwühlmäusen. Sie verlängerten mittels genetischer Modifikation das Vasopressin-Rezeptor-Gen von untreuen Bergwühlmäusen, welches in der Natur wesentlich kürzer ausgeprägt ist, als bei den Prärietieren. Dadurch konnten die neu gezüchteten Bergwühlmäuse mehr von dem Peptidhormon produzieren. Im Ergebnis verhielten sich diese Tiere erkennbar treuer als zuvor. Die Männchen verteidigten ihre Weibchen nach dem ersten Akt und unterstützten die Aufzucht gemeinsamer Jungtiere. Ein bis dahin nie gezeigtes Verhalten.

Die Wirkung des Vasopressin-Spiegels wurde bislang wissenschaftlich nicht endgültig erforscht. Die Hormonausschüttungen im verliebten Menschengehirn sind zwar ebenso wie bei den Mäusen auf mehrere Jahre ausgelegt, aber es lässt sich leider keine Aussage darüber treffen, wie lange das Treuehormon bei den Prärie-Nagern tatsächlich ausgeschüttet wird, da die Lebenserwartung der Mäuse maximal drei Jahre beträgt. Außerdem hatten gerade die treu gezüchteten Bergmaus-Männchen weiterhin Sex mit anderen Weibchen, obwohl sie sich trotzdem permanent an eine Partnerin banden. Als es den Forschern jedoch gelungen war, untreue Mäuse treu zu machen (und umgekehrt), versuchten sie die Erkenntnisse der ersten Testreihe auf den Menschen anzuwenden. So wurde der Oxytocin-Versuch bei Männern im Rahmen eines Sexual-Tests angewandt. Die Probanden bekamen zwar noch eine Erektion, waren jedoch unfähig zum Orgasmus und empfanden keinerlei Lust beim Akt. Dies zeigt, wie wichtig Oxytocin für unsere Beziehungsfähigkeit ist und Sex wird nach diesem Forschungsansatz zum Kitt, der jede Beziehung zusammenhält.

Die sogenannte Hypophyse ist für die Produktion von Treuehormonen (Oxytocin und Vasopressin) zuständig. Die dort ausgestrahlten Signale gelangen in den präfrontalen Cortex im hinteren Stirnbereich. Dort steuern und überdenken wir unsere aktiven Entscheidungen und unser Cortex kann zudem über die Jahre eine Gefühlkartei anlegen, die alle jemals empfangenen Eindrücke und Emotionen speichert und in ein Reaktionsschema umwandelt – ein Charakterbild entsteht in uns. Die dort produzierten Geschlechtshormone haben die Aufgabe, uns im limbischen System und im Hypothalamus zu Mann/Frau zu definieren und unsere Triebe entsprechend zu lenken.

Wenn wir einmal verliebt waren, wird diese kristallisierte, neuronale Struktur im Gehirn gespeichert. Die Kombination aus Erregung, Glück, Freude und aufregender Spannung vergessen wir nicht und speichern dieses Schema unter der Gesamtformel „Liebe“ in unserem neuronalen Cortex dauerhaft ab. Übrigens trifft ein Betrug Männer zwar härter, jedoch reagieren Frauen oftmals emotionaler, wie psychoanalytische Auswertungen ergaben. Das erklärt sich anhand unserer Vorfahren, die in eher überschaubaren Sozialgefügen interagierten.

Als wir Menschen noch in kleinen Gruppen zusammenlebten, war es wichtig, die eroberte Frauenliebe mit niemandem zu teilen, da dies die Schwäche eines Mannes betont hätte. Die Inkompetenz eines Männchens, seine Partnerin zu behalten, hätten andere ausnutzen können, um ihm Essen, Obdach etc. streitig zu machen. Also war es von höchster Wichtigkeit, dass die Frau treu bleibt. Die postmoderne Form daraus ist der Gesichtsverlust in Peergroups (Clique, Schulklasse, Arbeitskollegen) oder das gutbürgerliche „Was sollen bloß die Nachbarn denken“. Der gute Ruf muss noch heute geschützt werden. David M. Boss untersuchte dieses evolutionäre Überbleibsel aus vergangenen Zeiten in seinem Buch: The Essence of Desire). Eifersucht hat sich als begleitender Mechanismus entwickelt, um unsere Beziehung stabil zu halten. Grundsätzlich muss ich Julie Andrews zustimmen, wenn sie sagt: „Wenn einem die Treue Spaß macht, dann ist es Liebe“