In diesem Beitrag möchten wir einen konkreten Blick auf die natürliche Liebe werfen. Aber wo soll man da bloß anfangen? Jede Spezies hat andere Fortpflanzungsstrategien entwickelt – manche bizarrer, als wir uns überhaupt vorstellen können. Viele Spinnenweibchen fressen ihren Gatten nach erfolgreicher Befruchtung auf, wenn die nicht schnell genug ihre acht Beine in die Hand nehmen. Von einigen Tiefseefischen oder auch von Fröschen ist bekannt, dass sie ihr Geschlecht spontan von männlich zu weiblich verändern können, um die Fertilitätsquote der Population aufrecht zu erhalten. Ok, das ist alles so interessant wie unromantisch. Halten wir fest: Liebe ist kein Konzept für alle Tierarten, sondern sie ist eine Strategie zur Paarfindung und Fortpflanzung (bzw. zur Aufzucht gemeinsamer Jungen), die manche Tiere für sich entwickelt haben, während sie anderen vorenthalten bleibt.

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Liebe äußert sich bei Tieren ähnlich wie bei uns. Treue, wechselseitige Unterstützung bis hin zu echter Intimität (Küssen, Kuscheln etc.) sind auch im Tierreich Kernkompetenzen. Schwäne binden sich lebenslang und betrauern sogar den Tod des Partners. Dennoch sind sie nach der Trauerzeit oftmals zügig wieder zu neuen Partnerschaften bereit. Genau wie bei uns Menschen, kann tierische Liebe auch da sein, wo man sie vielleicht nicht gleich erkennt. Rabengeier bleiben über viele Jahre monogam zusammen. Ihr ausgeprägtes Sozialverhalten wurde von der Purdue Universität in Indiana in einer validen Studie bewiesen. Obwohl die Raubvögel nicht wirklich liebevoll auf uns wirken mögen, sind sie einander extrem treu und aufopfernde Eltern. Dass Kakerlaken und auch Termiten von Natur aus Teamplayer sind, ist ja augenscheinlich bekannt. Aber sie sind übrigens auch Monogamisten. Kakerlaken suchen sich ihre Partner nach phänotypischen Gesichtspunkten (Größe oder auch Kopfform) aus und bleiben dann dauerhaft bei ihrer Wahl. Nestbau und Nahrungssuche ist bei Kakerlaken Arbeitsteilung. Wenn sich ein Pärchen trennt, schmälert das die Überlebenschancen für Beide. Sie sind uns also gar nicht so unähnlich. Ob sich wohl mehr Kakerlaken trennen würden, wenn die Entgrenzung des Lebenspluralismus die Insektenwelt erreicht, ist trotzdem fraglich.

Apropos freie Wahl: Kommen wir kurz zu dem Vorwurf, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften angeblich dem natürlichen Prinzip widersprechen sollen: Das ist Quatsch! Auch Tiere kennen Homosexualität. Schwule Pinguinpaare brüten auf Steinen herum, als wären es echte Eier und beweisen eine paradoxe aber erstaunlich motivierte Gruppenkonformität, wenn sie mit liebevoller Zuneigung das Partnerschaftsverhalten heterosexueller Artgenossen kopieren. Von Pinguinen sagt man, dass sie sehr treue Tiere sein sollen. Jain… ja, sie sind sehr treu, aber nur für eine Brutsaison. Nach dieser Phase sortieren sich die Paare neu und der Kreislauf beginnt von vorn. Bei durchschnittlich 20 Jahren Lebenszeit kommen da also locker 15-18 Partner in einem Pinguinleben unter. Auch die gleichgeschlechtlichen Pinguin-Paare folgen diesem semi-monogamen Schema. Von Insekten bis hin zu Primaten wurde gleichgeschlechtliches Paarungsverhalten übrigens bei etlichen weiteren Tiergattungen beobachtet – soviel zum Thema widernatürlich.

Ob dem tierischen Paarungsverhalten aber immer eine freie Entscheidung zu Grunde liegt, ist gerade bei niedrig entwickelten Organismen fraglich. Für rationale Partnerschaftsentscheidungen braucht man eine komplexe Wahrnehmung. Fliegen haben aber zum Beispiel gar kein Erinnerungsvermögen. Auch viele andere Insekten sind nicht dazu in der Lage, das Geschlecht ihres Gegenübers festzustellen. Sie paaren sich einfach auf gut Glück mit allem was sich ihnen anbietet.

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Rücken wir deshalb den Fokus lieber auf unsere nächsten Verwandten, anstatt uns mit Fruchtfliegen zu vergleichen. Der Physiker und Naturforscher Georg Christoph Lichtenberg hatte bereits einen solchen Ansatz im Sinn, als er erkannte: „Der Mensch kommt unter allen Tieren in der Welt dem Affen am nächsten“. Carola Höhn schränkte Lichtenberg etwa 150 Jahre später humorig ein, als sie schrieb: „Es gibt Frauen, die Darwin falsch verstanden haben. Sie machen aus jedem Mann einen Affen“. Was die Machos unserer Zeit jedoch tatsächlich von den Schimpansen und Bonobos im Affenhaus lernen könnten, hat Alena Schröder von der Süddeutschen Zeitung Anfang 2016 hervorragend zusammengefasst. Schimpansen sind uns Menschen erschreckend ähnlich, wenn es um Liebe, Fortpflanzung und Machogehabe geht. Sie haben „funktionalen Sex“ und leben ansonsten in patriarchialen Familien. Zugegeben: In die Aufzucht ihrer eigenen Kinder investieren Schimpansen sehr viel Energie. Aber für einen Schimpansen ist Sex Mittel zum Zweck.

Bei Bonobo-Affen hingegen geht es buchstäblich drunter und drüber. Bonobos haben siebenmal häufiger Sex als Schimpansen oder Menschen, obwohl wir alle genetisch zu 99% miteinander übereinstimmen. Im Gegenteil zu Schimpansen-Familien haben bei den Bonobos die Weibchen das Sagen. Ein Bonobo-Clan kann im metaphorischen Sinn mit einer freizügigen Hippie-Kommune verglichen werden. Während bei ihnen Harmonie und faire Verteilung der Futtermittel im Vordergrund stehen, betreiben Schimpansen aggressive Machtpolitik. Sie haben klare Rangstrukturen, grenzen Schwächere des eigenen Clans systematisch aus, verhalten sich extrem fremdenfeindlich gegenüber anderen Schimpansen-Verbänden und lieben es, ihre Dominanz über Unterlegene auszudrücken. Frei nach dem Motto: „Wenn man weiß, wer der Feind ist, hat der Tag endlich Struktur“ (Volker Pispers). Schimpansen erobern bzw. behaupten Herrschaftspositionen innerhalb des Gruppengefüges mit Gewalt und Einschüchterung, vergewaltigen Weibchen und töten notfalls Rivalen oder sogar fremde Jungtiere. Dabei beweisen sie eine perfide Heimtücke. Es wurde sogar schon beobachtet, dass Schimpansen ihre Artgenossen absichtlich foltern.

Bonobos sind solche Phänomene weitestgehend fremd. Sie chillen in wenig unstrukturierten aber zumeist friedlichen Communities, regeln Streitigkeiten mittels kurzen Zurechtstutzens und haben ansonsten unentwegt Sex miteinander. Forscher fanden heraus, dass Bonobos ihre Sexualität als Kommunikationsmittel einsetzen – bei guter Laune, schlechter Laune, Langeweile… einfach immer. Klingt für mich nach einem deutlich entspannter geplanten Lebensentwurf. Auf der anderen Seite ist das traurige daran, dass die Schimpansen uns Menschen in ihrem Sozialverhalten deutlich ähnlicher sind als die Bonobos. Als Schopenhauer sagte, „Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier. Wir kennen es bloß im Zustand der Bändigung und Zähmung“, bezog er sich auf die Sozialisation. Sicherlich klappt dies ja auch meistens. Wenn wir uns jedoch abends in den Nachrichten anschauen, was in der Welt so alles los ist, landen wir ganz schnell wieder beim Schimpansen-Clan. Die Abstammungsforschung von Affe zu Mensch mag also durchaus sehr wichtig für die Wissenschaft sein… im Moment ist jedoch viel wichtiger, dass wir daran arbeiten, nicht dorthin zurückzukehren.

Quellen:

„Tierische Liebe | Wer nicht fragt, stirbt dumm | ARTE“ Beitrag aus der Arte-Reihe „Wer nicht fragt, stirbt dumm“. Am 05.06.2018 von „ARTEde“ auf Youtube hochgeladen.

https://www.youtube.com/watch?v=3pFFUH2BF9s&t=67s

„Schwule Tiere | Wer nicht fragt, stirbt dumm | ARTE“ Beitrag aus der Arte-Reihe „Wer nicht fragt, stirbt dumm“. Am 22.07.2018 von „ARTEde“ auf Youtube hochgeladen. URL:https://www.youtube.com/watch?v=wtxQJSb5ngc

Schröder, A. „Das Liebesregime der Hippie-Affen“ Süddeutsche Zeitung vom 25.01.2016. URL:https://sz-magazin.sueddeutsche.de/nackte-zahlen-sexkolumne/das-liebesregime-der-hippie-affen-82139