Teil I : Der erste Kontakt

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Doch was genau versetzt uns in diese Gefühlslage? Die Erkenntnis, dass die Liebe eines der wunderbarsten Gefühle der Welt darstellt, muss nicht die Wissenschaft bemühen, um zu überzeugen. Jeder der einmal verliebt war, weiß genau, wozu die Liebe fähig ist und welch intensive Emotionen sie hervorrufen kann. Jedoch ist hervorzuheben, dass wahrhaft Verliebte lediglich biochemischen Prozessen ausgesetzt sind, für die sie meist nichts können. Wir alle sind machtlos gegen die Liebe unterlegen, wenn sie erst richtig einschlägt. Dieser Artikel versucht Ihnen die Mechanismen und Prozesse des menschlichen Körpers zu erklären, die in uns ablaufen, wenn wir uns verlieben und das gemeinsame Erleben zu einer Beziehung erblüht. Unser Körper und damit unser Wahrnehmungsvermögen ändern sich im Prozess der Liebe stetig – manchmal schnell, manchmal über Monate hinweg. Lassen Sie uns einen Blick in die Biochemie der Liebe wagen, der Ihr Bild von der schönsten zwischenmenschlichen Ausdrucksform mit Sicherheit erweitern wird.

Die brennendste aller Fragen birgt zugleich eine wissenschaftlich-kühle Ernüchterung: Was ist die Liebe denn nun konkret? Nun ja… Wissenschaftlich betrachtet ist sie eine Mikroparanoia, in deren Folge körpereigene Hormone und chemische Botenstoffe im Organismus verteilt werden. Den physischen Auswirkungen auf diese Botenstoffe können wir uns nicht entziehen und unser Verstand kommt gegen diese Gefühle nur bedingt an. Verliebte sind ihren Gefühlen oft genug hoffnungslos ausgeliefert. Es ist tatsächlich vergleichbar mit dem Zustand des betrunken seins. Wir können uns noch so oft einreden, dass wir anders empfinden wollen – wir kommen nicht dagegen an. Doch was bewirken diese Gefühle, die Schmetterlinge im Bauch, die verwirrten Gedanken an diesen einen Menschen? Was denkt sich der Körper dabei? An dieser Stelle helfen uns die Biochemiker und Gehirnwissenschaftler. Die Amygdala, oder auch Mandelkerne verbinden in unserem Kopf den Hypocampus (zuständig für das Kurzzeitgedächtnis) und den Hypothalamus (der steuert u.a. unsere Gefühlslage) mit der Hirnrinde. Die Mandelkerne sind Teil des so genannten limbischen Systems und zuständig für unsere Primärgefühle (Angst, Wut aber auch Liebe, Lust oder Glück). Die positiven Gefühle dieses Spektrums werden jedoch erst nach mehrmaligem Wiederholen einer sogenannten Emotionsspirale getriggert – also angesteuert und aktiviert. Die negativen Eindrücke brennen sich oft direkt ins Gehirn ein. Dies ist eine evolutionäre Schutzfunktion für uns, damit wir, im Stadium unseres Menschwerdungsprozess, buchstäblich nur einmal versuchen den Säbelzahntiger zu streicheln oder das Feuer anzufassen, aber sicherlich kein zweites Mal. Die positiven Gefühlsimpressionen brauchen etwas länger, um Körperprozesse in uns auszulösen. Positive Emotionsspiralen werden beispielsweise durch ein freundliches Gespräche oder sogar einen Flirt ausgelöst. Immer wenn wir jemanden kennen lernen, die/der uns sympathisch erscheint, ist dies eine positive Impression. Das wiederholte triggern des limbischen Systems durch die positive Emotionsspirale löst dann die sogenannte Kristallisation aus. Der Aufbau einer neuen neuronalen Struktur hin zum Hypothalamus, welcher wichtige hormonelle Kreisläufe (Gedanken, Eindrücke, Gefühle, Nervenimpulse) steuert und unzählige chemische Botenstoffe (Pheromone) an die Nebenhirnrinde auszustoßen beginnt. Diese lassen dann Testosteron in den Organismus ausströmen, das unser Lustempfinden steigert. Bei Tieren, also auch bei Primaten, also auch bei uns Menschen, hat sich dieses System grundsätzlich durchgesetzt, auch wenn es höchst wandelbar in verschiedensten Formen auftreten kann.

Aber wie finden wir zunächst die Liebe?

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Welche Umwelteinflüsse lösen diese Prozesse in uns aus? Wissenschaftler vermuten, dass wir tief in unserem Unterbewusstsein bestimmte idealtypische Vorstellungen hegen. Das können phänotypische Merkmale, wie bestimmte Gesichtszüge, Augenpartien oder andere Körpermerkmale sein. Wenn wir ein (unserer Meinung nach) schönes Gesicht erblicken, dann finden wir diese Impressionen deshalb attraktiv, weil sie unserer idealtypischen Vorstellung sehr nahe kommen. Auch eine schöne Stimme kann uns überzeugen. Ebenso können Gerüche eines anderen Menschen in uns diesen Effekt auslösen. Unterbewusst hat jeder Mensch für sich eine ziemlich genaue Vorstellung vom optimalen Pheromon-Duft eines möglichen Partners, auch wenn uns dies nicht bewusst ist. Frauen suchen unterbewusst Gesichtszüge die an das Gesicht ihrer Vaterfigur erinnern, wenn sie einen positiven Bezug zu Eltern und Kindheit leben durften. Grundsätzlich lässt sich Schönheit nur schwer fassen. Die Attraktivitätsforschung kann Schönheit nur deskriptiv erfassen. Das zwingt sie dazu, objektiv bleiben zu müssen, obwohl sich ein symmetrisches Gesicht sogar mathematisch berechnen lässt. Es gibt genauste Beschreibungen der statistisch betrachtet maximal schönen Frau, doch der Begriff Perfekt liegt hier im Auge des Betrachters. Universell gültige Kriterien (reich, schön, einflussreich) existieren, können jedoch kulturabhängig abweichen. Weibliche Attraktivitätsmerkmale signalisieren Männern hohe Gesundheit – optimale Gene für gesunde Nachkommen, um es wissenschaftlich zu fassen. Beim männlichen Geschlecht sind diese Schönheitsideale weniger konkret formuliert. Attribute wie groß, schlank, breitschultrig, oder maskulin können aber nicht schaden, um gesundes Erbmaterial zu signalisieren. Dabei gilt ein wichtiger Punkt, den sich unsere Leserinnen merken sollten. Sehr maskuline Männer sind statistisch häufiger dominante Windhunde. Ohne hier pauschalisieren zu wollen und nur aus einer wissenschaftlichen Perspektive, sind sie also gute biologische Erzeuger, aber oftmals keine guten Väter. Somit kommt bei Umfragen unter Frauen der eher feminine Männertyp durchweg besser an, wenn nach konkreten Beziehungsvorstellungen gefragt wird.

Nach extensiver Analyse von mehr als 1000 Paaren/frisch verliebten/Dates, stellen die Forscher nicht nur ein Muster innerhalb der Grundgesamtheit fest, sondern konnten erstaunliche Parallelen zur Tierwelt darstellen. Nicht nur bei vielen Affenarten, sondern auch bei uns Menschen ist die Farbe Rot eine Attraktivitäts-Steigerung. Sobald wir einen potenziellen Partner treffen, greifen automatisierte Mechanismen in unserem Verhaltensmuster. Unterbewusster Prozess, den wir nicht aktiv steuern können. Mit Sichtkontakt erfolgt ein instinktiver Sortier-Prozess in die Kategorien attraktiv oder uninteressant. Frauen signalisieren dabei meist, ob sie angesprochen werden wollen. Es gibt über 70 verschiedene unterbewusste Signale. Verschiedenste Blicke, Haare zurückwerfen, Rücken strecken, verlegen an der Kleidung spielen. Daraufhin soll der Mann sie ansprechen und mit den ersten Worten eine überzeugende Performance liefern. Wer flirtet spiegelt den Gegenüber. Trinkt er, trinkt sie; lacht sie, lacht auch er… Während des ersten direkten Kontakts hängt die Entscheidung von vielen Kleinigkeiten ab. Tonlage, Stimme, Tonfall, Blickkontakt, die richtige Entfernung… – es gilt vieles zu beachten, selbst wenn die Botschaft inhaltlich einwandfrei sein mag. Frauen bevorzugen beim Stimmklang übrigens häufig ein tiefes Timbre, Männer mögen meist leise hohe Frauenstimmen. Aus einem anfänglichen Augenkontakt wird also möglicherweise eine Annäherung, eine Kontaktaufnahme, der vielleicht erste Berührungen folgen. Die Berührungen sind zunächst seicht, unverfänglich und geschehen manchmal aus der Situation heraus – doch sie bekunden oftmals ein körperliches Interesse am anderen. Wir testen aus, wie weit wir gehen können. Dieses Verhaltensmuster ist bei Menschen und vielen Tierarten gleich. Außerdem ist bei Paarbeziehungen im Tierreich nachgewiesen worden, dass Weibchen verschiedenster Arten bereits vergebene Männer attraktiver finden, als Singles. Vielleicht, weil erstere Männchen nachweislich beziehungsfähig sind.

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Mit Liebe recherchiert in:

Geo Wissen Magazin, 2016, Nr. 58 „Liebe“

Bode, A., Krüger J., Raabe, H., Zirwes, C. „Die Biochemie der Liebe – ein Hormon-Ratgeber“ Quarks&Co. WDR Köln 2000.