Wenn sich dann die Gesellschaft und mit ihr die Liebe wandeln, erleben wir meist eine unsichere Phase der Neufindung auf Massenbasis. Gerade am Konzept der Emanzipation und der vielen Frauenrollen im Rahmen dieser stetigen Wandlungsprozesse, lassen sich gesellschaftliche Barrieren von Liebe und Beziehung hervorragend darstellen. Wir möchten sie auf eine Reise durch die Jahrzehnte mitnehmen, die Ihnen zeigen wird, wie wandelbar unsere Auffassung von Gesellschaft, Normalität, Realität und Liebe ist.
Das Frauenbild in den 1920er Jahren wird heute zumeist so dargestellt, dass Frauen erst ab diesen Jahren anfingen, echter Erwerbsarbeit nachzugehen. Doch tatsächlich waren viele Frauen bereits vor der Wende ins 20. Jahrhundert gezwungen sich eigene Arbeit zu suchen. Gerade in der Rüstungsindustrie bahnten Arbeiterinnen sich zielstrebig ihren Weg. Bis dahin waren in der Regel die Männer der Erwerbsarbeit in Weimar nachgegangen. Doppelverdienerpaare wurden in den goldenen 20er Jahren nicht gern gesehen, da sie einen zusätzlichen Arbeitsplatz vom Markt nahmen. Die Ehefrau hatte sich devot der heiligen K-Dreifaltigkeit zu widmen. Kirche, Küche und Kinder sollten ihren Alltag nicht nur bestimmen, sondern sie als Hausfrau definieren, so die allgemeine Erwartungshaltung. Solange der Ehemann einem festen Beruf mit geregeltem Gehalt nachging, wurden Frauen systematisch entlassen. Politiker, Arbeitgeberverbände und sogar Gewerkschaften bemühten sich darum, Frauen aus klassischen Männerberufen wieder herauszulösen, um den zurückkehrenden Soldaten nicht die Berufsperspektive zu gefährden. Bis 1923 konnten weibliche Mitarbeiterinnen im Staatsdienst der Weimarer Republik sofort entlassen werden, wenn sie heirateten. Ab diesem Zeitpunkt sollten sie dem Rollenideal als Hausfrau und Mutter nachgehen, so die allgemeine Ansicht der damaligen Zeit. Der erste Weltkrieg forderte Millionen von Soldatenleben, die nicht zu ihren Familien zurückkehrten. Der sich einstellende Frauenüberschuss wirkte sich daher auf die Arbeitsmarktlage aus, sodass viele Frauen (contra dem temporären Rollenbild) schlichtweg arbeiten gehen mussten, um Geld zu verdienen, nachdem ihre Männer im Krieg gefallen waren. Aus finanzieller Not heraus blieb ihnen auch kaum eine andere Wahl, gerade wenn Kinder zu ernähren waren. Außerdem wurden Arbeiterinnen gern gesehen, da sie schon damals für egal welchen Männerjob nur den halben Lohn ausgezahlt bekamen. Ein Konzept, dass sich (branchenabhängig) leider bis heute durchgesetzt hat. Trotz aller Bemühungen hatte sich gegen Ende der Weimarer Republik die Zahl der erwerbstätigen Frauen mehr als verdoppelt. Frauen wurden in produzierenden und weiterverarbeitenden Industriesparten also zur echten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Automatisierung und die tayloristische Prozesssteuerung (die Arbeitszerlegung in kleinste Teil-Schritte) erforderten viele fleißige Hände und wenig Kenntnisse von dem, was man da eigentlich tat. Lange Ausbildungszeiten entfielen am Fließbandplatz, der monoton Schrauben in ein Walzblech zu bohren hatte. Es entstanden jedoch auch gleichzeitig die klassischen Frauenberufe (Buchhalterinnen, Sekretärinnen, Lehrerinnen, Krankenschwestern etc.), die den Männerjobs an Komplexität und Abwechslungsreichtum in nichts nach standen. Das bisherige Partnermodell auf Basis strikter Trennung von Produktion (Mann geht Erwerbsarbeit nach) und Reproduktion (Frau kümmert sich um das Zuhause), begann bereits hier zu erodieren, obwohl es noch lange nicht die Unterstützung des Wohlfahrtstaates oder die gesellschaftliche Toleranz gab, wie wir sie heute berechtigterweise erwarten können. Neben den rein wirtschaftlichen Emanzipationserfolgen auf der Männerdomäne Arbeitsmarkt, begannen Frauen zusehend ihre gesellschaftliche Gleichberechtigung einzufordern. Im Vergleich zur 1968er Generation (mit Studentenrevolutionen, Pillenknick und damit einhergehenden gesetzlichen Gleichstellungsbemühungen) geschah dieser Wandel gegen 1920 jedoch nicht auf Massenbasis, sodass seine Vertreterinnen zunächst als schrille Paradiesvögel oder Rebellinnen galten, deren krude wirkende Forderungen nur allzu gern von den Männern abgestempelt wurden. Trotzdem wird die neue selbstbewusste Frau seit jeher mit den goldenen 1920er Jahren verbunden.
Der Beginn der Emanzipation
Obwohl Schminke bis vor dem 1. Weltkrieg verpönt war und allenfalls im Prostitutionsgewerbe Verwendung fand, begann die moderne Frau ihre Gesichtszüge farblich zu betonen. Moderne Frauen rauchten, begannen damit zu verhüten und Hosen statt Kleidern oder Röcken zu tragen. Sie engagieren sich aktiv in Politik und Weltgeschehen und lebten ihre Freiheit öffentlich aus, allen gesellschaftlichen Vorurteilen zum Trotz – emanzipiert und oft lautstark in der gesellschaftlichen Mitte. Das Konzept der geschlechtlichen Rollentrennung war dabei keinesfalls willkürlich gewählt. Es diente zunächst dem Hauptziel einer stabilen Lebensführung. Das muss kurz erläutert werden: In den 1920er Jahren war tatsächlich noch (bitte jetzt nicht falsch verstehen) eine Hausfrau notwendig – oder besser formuliert: Jemand notwendig, der den Haushalt erledigte. Da es viele kleine Putz- und Küchenhelfer damals noch gar nicht gab, waren Kochen, Haushaltsreinigung, Wäsche &Co. noch wesentlich zeitraubender als heute. An Kitas oder Tagesmütter war in der Mitte der Gesellschaft nicht zu denken, was jede junge Mutter zunächst für mindestens ein halbes Jahrzehnt an die Wohnung binden musste, solange der Vater der Erwerbsarbeit in der Behörde oder Fabrik nachging. Die klassische Rollenteilung in Lohn- und Erwerbsarbeit (Mann) sowie reproduktive Arbeit (Frau), war damals schlichtweg notwendig, da die gesellschaftlichen Möglichkeiten noch nicht soweit ausdifferenziert waren, als dass die Doppelverdiener-Ehe auf Massenbasis funktioniert hätte. Ohne Hausfrauen ging damals also nichts. Die Hausarbeit erledigte sich schließlich nicht von allein. Die Mutterrolle war dabei der zentrale Fokus einer Frau für ein erfülltes Leben. Der damalige Stand der Wissenschaft in der Weimarer Republik wollte die Frau als Mutter-Stereotyp beschreiben und sehen, was letztlich durch das Dritte Reich im sogenannten Mutterkreuz (als Belohnungssystem für die Zeugung von neuen Soldaten) mündete. Entgegen der landläufigen Meinung ist der Muttertag aber wiederum keine Erfindung der Nazis, sondern wurde bereits in den 1920er Jahren in der Weimarer Republik vom Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber erfunden – vermutlich ahnen Sie warum. Es ging nur ums Verkaufen, bis die Nazis den Tag offiziell zum Feiertag deklarierten, obwohl Frauen im Dritten Reich aus vielen einflussreichen Positionen Weimars verdrängt wurden und Mitte der 1930er Jahre lediglich 4% der NS-Regierungssitze innehatten. Die Paarfindung geschah zwar durch individuelles Aufeinandertreffen, jedoch spielte das soziale Umfeld eine erhebliche Rolle in der Vorauswahl und die Gunst der Schwiegereltern war ein entscheidender Faktor, welche die Eheschließung in letzter Instanz erlauben mussten. Der Patriarch besaß somit die Macht, die Zukunft seiner Tochter maßgeblich zu entscheiden und sie (ggf.) in einer glücklosen Ehe dauerhaft zu binden, da Scheidungen zum damaligen Zeitpunkt zwar existierten, aber alles andere als einfach waren. Die Erosion der Stammfamilie ließ auch die Macht des Familienoberhaupts schrittweise obsolet werden. Hier spielten viele Faktoren eine Rolle. Die zunehmende Bildungsemanzipation, die Landflucht in die Städte mit den lukrativeren Arbeitsangeboten und dem Ruf nach einem eigenständigen Leben fern ab der elterlichen Fürsorge…etc. Man muss verstehen, dass die Gesellschaft zwar Jahrzehnte Zeit hatte, um sich diesem gesellschaftlichen Wandel anzupassen, jedoch kollidierten Wirklichkeit und rechtlich-bürokratische Phantasmen jeden Tag überall in der damaligen Zeit. Manche würden es heute als Spießbürgertum bezeichnen. Immer dann, wenn Frauen sich durchsetzten, wie es für Männer selbstverständlich war, konnte es vorkommen, dass dies zum Eklat führte. Nachdem sich Europa vom zweiten Weltkrieg erholt hatte, änderte sich beim Hausfrauen-Konzept der 1950er und 60er Jahre nur schleppend ein Trend in Richtung Doppelverdiener-Ehe, der sich jedoch letztlich durchsetzte. Auch wenn die Frau ihren erlernten Beruf zu Gunsten von Haushalt und Familie aufgab, war es durchaus nicht unüblich, dass Frauen nach erfolgreichem Bildungsabschluss die Uni besuchten oder eine ordentliche Ausbildung absolvierten. Das Thema Opportunitätskosten gelangte dabei erst Ende der 1990er in die Debatten politischer Zukunftsvisionen. Das ist das Geld, was man nicht verdient, weil man aus dem Job ausscheidet, um eine Familie zu gründen und die Kinder zu hüten. Man könnte ja auch in der Zeit arbeiten gehen und monatliches Gehalt beziehen. Also lässt sich ausrechnen, was man verpasst. Viele Soziologen sehen in den Opportunitätskosten einen entscheidenden Faktor, weshalb Frauen sich zunehmend für eine Single-Karriere entscheiden und Kinder hinter einem erfolgreichen Berufsleben anstellen.
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Quelle:
Mr. Wissen2Go Frauen in den 1920er-Jahren | musstewissen [Geschichte]
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