Mangelndes Empathie-Empfinden uns selbst gegenüber führe dazu, dass wir unsere negative Wahrnehmung auf andere projizieren. Das heißt, sobald wir mit uns oder unserer Umweltwahrnehmung unzufrieden sind, beziehen wir das auf andere – manchmal lasten wir unserer Umwelt sogar die Schuld dafür an. Dass andere Schuld an unseren Gefühlen sein sollen, ist zwar einfach, aber eben auch oft genug falsch, so Dr. Robert Holden. Er entwickelte das sogenannte Loveability-Konzept, das Absolventen seines 3-tägigen Seminars Grundlagen zu einer intensiveren Liebeskompetenz vermittelt. Nach Holdens Ansatz geschieht dies über Selbstliebe, die zu Fremdliebe führt und schließlich universelle Liebe ermöglicht. Liebe ist eine Emotion – also weit mehr als nur ein Gefühl. Sie ist die Stimme unseres Herzens.
Gerade in unserer Kindheit wurde uns oftmals vorgelebt, dass wir liebenswert sind. Daraus entwickelt ein Kind die Überzeugung ein wertvolles Individuum zu sein, dessen Interessen gleichberechtigt zählen. Bei einer unerfüllten Kindheit können hier Ängste entstehen. Zum Beispiel kann die Angst erwachsen, dass ein Individuum bei seiner Umwelt nicht akzeptiert und integriert zu sein scheint. Die Reaktion ist Unverständnis und langfristig Unsicherheit. Mobbing in jungen Jahren kann solche Gefühle manifestieren – bei manchen mit extremen Konsequenzen.
Aber Menschen mit mangelnder Wertschätzung gegenüber sich selbst sind es häufig, die immer wieder nach der großen Liebe im Leben suchen. Diese scheint jedoch wieder und wieder zu scheitern. Das kann an mangelhaftem Selbstvertrauen liegen – an der fehlenden Fähigkeit zur Selbstliebe. Wer sich selbst nicht schätzt, sich in Folge von Selbstzweifeln für nicht liebenswert hält, zweifelt auch schneller an echter Zuneigung durch andere. Viele Menschen mit mangelndem Selbstvertrauen finden oft Probleme in einer Beziehung (Eifersucht, Geltungsdrang, Dominanz-Ungleichgewicht) Andere wollen sich stetig rückversichern, was dem Partner jedoch leicht auf die Nerven gehen kann.
Wer selbst keine Empathie entwickelt, wird dies beim Partner auch nicht nachvollziehen können. In Beziehungen suchen unsichere Menschen daher immer auch einen Makel beim Gegenüber. Nicht selten werden solche Versuche zurückgewiesen. Wer ohnehin unsicher ist und dies auch nicht geschickt genug verbergen kann, kann seinen Selbstzweifel manifestieren, wenn er wiederholt zurückgewiesen wird. Jeder neue Abblitzer bestätigt irgendwann das negative Selbstbild.
Die Annahme, dass wir selbst nicht liebenswert seien, ist oftmals nur ( als) ein eingebildetes Stigma. Wenn wir uns der Liebe hingeben, wird sich unser Körper diesen positiven Gedanken hingeben und mit positiven Körpereffekten antworten, so Holden. Der größte Teil unserer zwischenmenschlichen Probleme sind das Produkt mangelnder Selbstliebe in uns. Fehlende Selbstliebe zerstört unser Gespür dafür, was uns tatsächlich wichtig im Leben ist, wie wir andere sehen und selbst gesehen werden wollen. Wer Glück, Liebe und Seelenfrieden sucht, muss nicht die entlegensten Winkel der Welt bereisen, sondern in den Tiefen seines Herzens suchen. In jedem von uns ringen zwei „ Ichs“: Ich bin liebenswert und ich bin es nicht. Beide“ Ichs“ wohnen in unserem Verstand. Wenn wir nur eines der beiden „ Ichs“ hätten, würden wir unserem Umfeld entweder als krankhaft empathisch oder im höchsten Maße depressiv auffallen. Es ist also immer ein Ringen beider „Ichs“, abhängig von unseren Umwelteinflüssen, die wir (ob wir wollen oder nicht) normativ für uns verarbeiten, sobald wir sie erfassen.
Das negative Selbstbild wollen wir dabei stets vermeiden. Darum versuchen wir permanent, uns an andere anzupassen und unsere Umwelt zufriedenzustellen. Je mehr wir uns jedoch in Normen anderer zwängen, je mehr wir uns verbiegen, desto eher verlernen wir den Bezug zu unserem nicht-konditionierten Selbst – zu dem, was wir eigentlich wollen. Die Person, die wir immer sein wollten, entfernt sich mehr und mehr von uns. Selbstliebe bedeutet, dass wir damit beginnen, auf unsere Gefühle zu hören, unsere Herzenswünsche wahrnehmen und zu erfüllen versuchen. Vielleicht kennen Sie das Gefühl: Trotz maximaler zeitlicher Auslastung, dem höchstmöglichen Maß an Altruismus… solange wir uns nicht selbst akzeptieren, werden wir, trotz allen Abrackerns, immer eine innere Leere empfinden.
Man kann sich erst dann vollständig annehmen, wenn die inneren Scheuklappen abstreift sind. Darum ist es wichtig, sich ganz neu zu erlernen und sich dabei völlig auf die inneren Gefühle einlassen zu können. Meditation oder Atemübungen können hier einen Weg zum inneren Selbstbewusstsein bahnen.
Machen Sie einen Test: Versuchen Sie ab morgen für eine ganze Woche grundsätzlich zu jedem anderen Menschen in ihrem Umfeld netter zu sein, als bisher. Versuchen Sie Angehörige und Freunde noch liebevoller und selbst ungeliebte aber wiederkehrende Alltagsgesichter mit einem höheren Maß an Respekt zu begegnen. Schenken Sie einfach mal ein Lächeln, statt eines bösen Blicks oder vorgespielter Ignoranz.
Übrigens: Nach Beginn einer neuen Beziehung wächst das Selbstbewusstsein fühlbar an. Wenn die Beziehung über einen Zeitraum von einem Jahr anhält, kann die Steigerung des persönlichen Selbstbewusstseins sogar dauerhaft adaptiert und in den Charakter übernommen werden. Sie bleibt dann dauerhaft bestehen.
Mit Liebe recherchiert…
Quellen:
Geo Wissen Magazin „Liebe – der Traum vom gemeinsamen Glück“, 2016: S.73
„Dr. Robert Holden – TCM Unsere Organ-Uhr“, Happinez Magazin Ausgabe 3/2018: S.65-69
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