Verliebt sein wird oft als prickelnd, verrückt und frisch beschrieben. Dies liegt an den Neurotransmittern – beispielsweise Dopamin. Dopamin macht euphorisch und wirkt motivierend bis aufputschend. Ein erhöhter Dopaminspiegel wirkt auf das Belohnungszentrum im Gehirn, wobei der bloße Gedanke an die begehrte Person bereits zur Ausschüttung weiterer Dopamin-Botenstoffe führen kann. Zudem erhöht schon der Gedanke an einen neuen Partner den Herzschlag, was mehr Blut durch die Kapillargefäße befördert und so zu Gesichtsrötungen führen kann. Der Körper wird wärmer und sondert Schweiß ab, um den Temperaturpegel zu halten. Manche bekommen in diesem Stadium eine Gänsehaut oder Parästhesie in den Fingerspitzen. Wir kennen das Gefühl als die berüchtigten Schmetterlinge im Bauch. In Wirklichkeit sind es Millionen von aktiven Rezeptoren.
Liebe ist unser liebstes Hobby, jedoch werden die Zustände, in die sie uns versetzt, manchmal von unserem Umfeld leise belächelt – wenn auch vielleicht nur aus Neid. Vorurteile wie „Liebe mache blind“,“ blöd“ oder „setze den Liebenden eine rosarote Brille auf“, kennt jeder und sie in Frage zu stellen, wäre unsinnig. Doch es gibt einige Effekte und Nebenerscheinungen im Prozess des sich Verliebens, von denen Sie tatsächlich im Alltag profitieren werden.
Zunächst wäre die Wirkung auf unser Umfeld zu betrachten. Wer von einer neuen Beziehung berichtet, demonstriert dem Umfeld die eigene Beziehungsfähigkeit. Man wird begehrt und das macht uns grundsätzlich attraktiv. Zudem ist Verliebt sein im hohem Maße gesellschaftlich akzeptiert, auch wenn es unsere Wahrnehmung verzerren mag. Wer betrunken zur Arbeit kommt, wird in der Regel zum Chef zitiert. Aber wir freuen uns doch mit jedem Liebestrunkenen, dem wir das neue Glück gönnen. Wer frisch verliebt ist, spiegelt diese neue positive Energie der Glücksendorphine im eigenen Auftreten wieder. Die zusätzlichen Adrenalin- und Dopamin-Freisetzungen lassen uns zudem zielstrebiger und konzentrierter arbeiten. Schlichtweg weil uns die Arbeit mehr Spaß macht. Das lässt uns leicht und locker durch den Alltag gleiten, was unserem Umfeld sicher nicht verborgen bleiben wird. In gemeinsamen Konversationen versuchen wir positive Dinge miteinander zu teilen. Wir heben selbstbewusster eigene Stärken hervor, und strahlen dadurch auch auf Dritte eine positive Grundhaltung aus. Kurz gesagt: Denke positiv, dann bist du positiv.
Die Veränderungen unserer Körperchemie haben manchmal sogar Einfluss auf unser Erscheinungsbild. Und denken Sie jetzt nicht nur an die Männer, auch wenn es stimmt. Verliebte Männer legen (gerade in einer frischen Beziehung) mehr Wert auf ihr Äußeres, halten sich körperlich fit und haben höhere Hygienestandards, wenn sie eine Beziehung eingehen. Doch die Liebe hat noch ganz andere ungeahnten Kräfte. So bekommt unsere Stimme unterbewusst weichere Züge und unsere Pupillen vergrößern sich in Folge erweiterter Wahrnehmungsaktivität. Das wiederum verleiht dem Auge gleichzeitig einen tiefen Blick, in dem man versinken möchte. Manche von uns erkennen in einem frisch Verliebten daher eine Art Glühen, Funkeln, Strahlen oder wie immer es noch beschrieben wurde. Dabei sind alle diese Phänomene evolutionär begründet.
Das Gehirn des Mannes steht für Territorialabwehr, Eroberung und Siegeslust und äußert sich im Sexualtrieb. Studien haben gezeigt, dass Alpha-Männchen tatsächlich einen höheren Testosteron-Haushalt besitzen. Es ist aber noch unklar, ob Siegertypen mehr Testosteron entwickeln oder ob ein höherer Testosteron-Spiegel zu besseren Ergebnissen führt. Das Gehirn der Frau aktiviert hingegen Areale, die für Kinderwunsch, Kindererziehung und Angst von Bedeutung sind. Die Wahrnehmung wird geschärft, was unseren Blick auf Kleinigkeiten lenkt. Die Oxytozin-Ausschüttungen lösen bei beiden Geschlechtern die Produktion von Dopamin aus. Das motiviert uns dazu für die Liebe auch große Strapazen einzugehen. Außerdem lässt uns das Dopamin anfänglich über kleinere Schwächen des anderen hinwegsehen. Liebe macht also tatsächlich in gewissem Maße blind – oder anders gesagt: Dopamin macht das.
Außerdem begegnen wir neuen Situationen aufgeschlossener, schenken eher ein Lächeln als einen skeptischen Blick, was auf unsere Umwelt so wirkt, als würden wir leichtfüßig durch den Alltag gleiten. In gewisser Weise tun wir das auch. Auch wenn die Zeit nicht schneller vergeht als sonst auch, können wir uns mit kleinen Gedanken an die neue Beziehung auch regnerische Tage versüßen. Wenn wir mit einem naiven Lächeln auf den Lippen verträumt am Kopierer stehen, sodass sich die Arbeitskollegen bereits wundern, weisen wir dieselben Symptome auf, die sich bei Zwangsneurotikern mitunter sehr negativ äußern können. Donatella Marazziti von der Universität Pisa verglich die Menge an Eiweiß-Molekülen, die zum Transport von Neurotransmittern im Blutstrom dienen, bei Verliebten und zwangsneurotischen Personen und wies dabei einen vergleichbar hohen Eiweiß-Spiegel im Blut beider Testgruppen auf. Verliebte können sich stundenlang gedanklich mit dem einer anderen Person beschäftigen, ähnlich wie zwangsneurotische Menschen das immer tun. Würden wir für immer in diesem Stadium der frischen Liebe verharren, wäre das ein echter evolutionärer Nachteil, obwohl der Gedanke im ersten Moment vielversprechend klingt, würde unser Verstand darunter leiden, wenn wir länger als drei Jahre dem Rausch der Glückshormone ausgesetzt wären. Deshalb reguliert unser Körper die ausgeschütteten Botenstoffe nach einiger Zeit von ganz allein. Bei vielen hat sich zu diesem Zeitpunkt längst ein gemeinsamer Alltagsrhythmus eingestellt.
Aber was passiert mit unserem Hormonhaushalt in Langzeitbeziehungen?
Die Anthropologin Helen Fisher fand mithilfe von Magnet-Resonanz-Bildern heraus, dass beim Anblick eines geliebten Menschen bestimmte Gehirnareale getriggert, also mit erhöhtem Sauerstoff und Energieausschüttungen versorgt werden. Fisher zeigte dazu den Probanden Fotos ihrer Partner, sowie Fotos von Freunden und Bekannten der Versuchspersonen. Beim Anblick von geliebten Menschen, aktivieren sich Hirnregionen, welche exklusiv auf den Partner zu reagieren scheinen. Fisher erklärt, dass aus der prickelnden Liebe zu Beginn einer neuen Beziehung irgendwann ein Zustand der Kameradschaft folgt. Die neuronale Gehirnstruktur gewöhnt sich langsam an die Glückshormone und entwickelt entsprechende Toleranzen. Nach etwa 24-36 Monaten wird der sensorische Rauschzustand dann zurückgefahren. Dennoch wurde das MRT-Bildgebungsverfahren auch bei Ehepaaren angewandt, die sich nach eigener Aussage auch am Tage ihrer silbernen Hochzeit noch so liebten wie an ihrem ersten Date. Tests ergaben, dass die Probanden Recht hatten. In ihren Köpfen waren die gleichen Gehirnregionen aktiv, wie bei frisch verliebten Paaren. Die ewige Liebe ist somit keine fixe Idee, sondern mit Bildern belegbar.
Quellenverzeichnis:
- Bode, A., Krüger J., Raabe, H., Zirwes, C. „Die Biochemie der Liebe – ein Hormon-Ratgeber“ Quarks&Co. WDR Köln 2000.
Merrill, Francis E., Mabel A. Elliott: Der Romantische Fehlschluss. In: Soziologie der Liebe (Hg.) B. Kuchler, S. Beher. Berlin: Suhrkamp 2014. S.338-363
(erstmalig erschienen als: Mabel A. Elliott/ Francis E. Merrill, social Disorganization, New York: Harpers 1934, Kapitel XVII: „The Romantic Fallacy“) - Das Geheimnis der Liebe – Die Biologie von Sympathie Verführung und Sex Dokumentation 2013
https://www.youtube.com/watch?v=gpXk_ZczkUI
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