Wir alle können aufzählen, was wir an unserem Verhalten ändern möchten. Gute Vorsätze sind vorhanden, und dann…? Woran liegt es nur, dass wir manche Marotten einfach nicht abstellen können, so sehr wir uns das auch vornehmen?

Die Motivationsforscherin Tali Sharot stellte sich ebenso die Frage, wie Menschen ihr Verhalten ändern können. Weshalb schaffen es manche und andere wieder nicht? Dazu befasste sie sich extensiv mit unserer innersten Motivation und fand heraus, wie wir uns im positiven Sinne selbst betrügen können. Zunächst erforschte sie Verhaltensänderungen per se. Welche Denkprozesse stecken eigentlich hinter einer Verhaltensänderung? Am Beispiel von Süßigkeiten ist das schnell erläutert – halt dich zurück, sonst kommt der Denkzettel beim nächsten Gang auf die Waage. Denk an dein Lieblingskleid und an das Bild, welches andere von dir bekommen, wenn du alle Nähte sprengst…

Funktionieren Verhaltensänderungen also oftmals über Angst? Klingt erstmal schlüssig… Wer negative Konsequenzen in der Zukunft abwenden möchte, muss nur sein Verhalten im Hier und Jetzt anpassen. Dennoch zeigt die Wissenschaft, dass Warnungen tatsächlich nur einen sehr begrenzten Einfluss auf unsere Verhaltensmaximen zu haben scheinen. Ruiter & Kok (2005), Taubman-Ben-Ari, Florian & Mikulincer (1999) sowie Trenholm (2007) und viele andere haben seit mehr als 20 Jahren ausgiebig dazu geforscht. Auch ein Blick in die Realität scheint ihre Ergebnisse zu bestätigen. Schockbilder auf Zigarettenpackungen verfehlen ihren Effekt weitestgehend, gute Vorsätze werden in vielen Fällen nicht älter als die Silvesternacht oder blicken wir auf das quasi inexistente globale Engagement, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Auch im Beziehungsleben wird so manche kleine Marotte so lange aufgeschoben, bis sich daraus eine echte Beziehungskrise entwickelt hat.

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube

Mehr Informationen
pop art mann bart single ueberrascht

Warum sind wir also derart veränderungsresistent, so Sharots Frage.

Die meisten Menschen scheinen sich selbst eine Art Bedrohungs-Prognose auszustellen. Wie wahrscheinlich ist es, dass das Rauchen für sie persönlich irgendwann zum Problem wird? Diese subjektive Wahrscheinlichkeitsrechnung halten die Meisten während des gesamten Lebens aufrecht und erlaubt ihnen, nichts zu ändern. Dazu bedienen sich viele Menschen unterbewusst eines psychologischen Tricks, der bei genauerer Betrachtung gar nicht so clever ist. Verdeutlicht wird dies an einem Beispiel von Tali Sharot.

Angenommen, jemand bittet Sie zu prognostizieren, ob Sie im Alter schwerhörig werden oder nicht und sie antworten mit einer 50/50-Wahrscheinlichkeit. Nun sprechen Sie mit einem HNO-Arzt, der Ihnen bescheinigt, dass Ihre Befürchtungen für taube Ohren geringer (sagen wir 30-40%) einzustufen sind. Ein anderer HNO-Doktor errechnet für Sie jedoch eine Wahrscheinlichkeit von 60%, dass Sie im Alter taub werden. Welchem Arzt widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit? Natürlich dem Mediziner mit der (für Sie) günstigeren Prognose. Wir suchen uns also aus dem Spektrum an möglichen Prophezeiungen stets jene heraus, die wir am liebsten hören würden. Informationen, die nicht in unser selbst gebasteltes Weltbild passen, blenden wir viel zu gern aus. Wird die Bedrohung dann doch existent, versuchen wir umso radikaler, das Ruder noch herumzureißen… oft aber zu spät. Wenn der Partner schon die Koffer packt, ist die Chance, Beziehungsarbeit zu leisten, vertan. Nun hat die anbahnende Katastrophe, die untätig beobachtet wurde, zugeschlagen und die Konsequenzen stehen quasi vor der Haustür.

luhmann liebe gefuehl

Unsere Bereitschaft, (für uns) positive Nachrichten anzunehmen, ist ziemlich gut ausgeprägt und verändert sich im Laufe des Lebens fast nicht. Anders sieht es mit Nachrichten aus, deren Inhalt wir nicht so gut finden. Etwa bis zur Mitte des Lebens sind wir Hiobs-Botschaften gegenüber noch wandlungswillig aufgeschlossen, aber mit zunehmendem Alter sinkt unser Interesse an aufgezwungenen Veränderungen wieder ab – egal wie drastisch das Damoklesschwert dahinter auch drohen mag. So spricht die ältere Generation gerne: „Warum soll ich mich jetzt noch ändern?“.

Sharot erklärt, dass es durchaus möglich ist, Verhaltensänderung künstlich herbeizuführen. Ihr Beispiel bezieht sich auf das Händewaschen im Krankenhaus. In einem Experiment wurden die Waschbecken eines Krankenhauses videoüberwacht. Obwohl die Ärzte von der Kameraanlage wussten, änderte sich an ihren Hygienegewohnheiten erstmal nichts (desaströse 30% befolgten die Desinfektions-Vorschriften ihres Arbeitgebers). Es folgte eine clevere Intervention der Krankenhausleitung. Die Ärzte bekamen eine Schautafel auf die Station gestellt, auf der jedes einzelne Händewaschen digital vermerkt wurde. Damit wurden die Mediziner quasi einem öffentlich einsehbaren Konkurrenzdruck ausgesetzt.

Nach der Intervention schoss die Bereitschaft des Personals, sich die Hände zu waschen, um das Dreifache in die Höhe und blieb konstant bei über 90%. Das war jedoch nicht nur der neu geschaffenen Konkurrenzsituation geschuldet, wie Sharot ausführt.

Die Intervention beinhaltete nämlich gleich drei Faktoren, die menschliche Motivation maßgeblich und nachhaltig beeinflussen.

1-Social Incentives (soziale Anreize): Sharot und einige Kollegen fanden 2011 heraus, dass unsere Verhaltensmaximen auf Veränderungen in unserem Umfeld reagieren. Im Vergesellschaftungsprozess lernen wir alle, uns an anderen zu orientieren. Manche Strategien oder Verhaltensweisen lernen wir für uns zu adaptieren. Kurz gesagt: Wir lernen von anderen, wie wir uns verhalten wollen. Zumeist orientieren wir uns dabei am Mainstream. Es sind Sätze wie: 9 von 10 Beziehungen prosperieren, wenn die Partner die gegenseitige Aufmerksamkeit erhöhen… 9 von 10 Menschen, die ihre Ernährung umstellten, verbesserten damit ihre Gesundheit. 9 von 10 Menschen zahlen ihre Steuern rechtzeitig an den Fiskus usw.…

Die Suggestion, dass sich eigentlich alle anderen regelkonform verhalten und dadurch irgendwie belohnt werden, reicht schon aus, um eine Verhaltensänderung beim devianten Individuum zu provozieren – das gute alte „man macht das nun einmal so“.

2-Der zweite Faktor ist die unmittelbare Belohnung gewünschten Verhaltens. Aus der Konditionierungslehre ist schon lange bekannt, dass positive Bestärkung viel besser funktioniert als negative Sanktionierung – fragen Sie mal den Pawlow`schen Hund. Als die Ärzte mit jeder Waschung ihren Score auf der Tafel nach oben schießen sahen, löste das jedes Mal ein kleines Glücksgefühl aus. Jeder, der To Do Listen auch so gern abarbeitet wie ich, kennt die Genugtuung, wenn man Stück für Stück dem Ziel immer näher kommt und einen Punkt nach dem anderen abhaken kann. Die Unmittelbarkeit der direkten Belohnung steigert dieses Gefühl noch. Wessen Verhalten sofort positiv wahrgenommen und belohnt wird, wird danach streben, diese Erfahrung wieder und wieder zu machen. Das liegt daran, dass wir sofortige Belohnungen mehr schätzen, als die Abwendung negativer Konsequenzen in der Zukunft.

Zurück ins Krankenhaus: Als die Kameraanlage die Ärzte nur überwachte, mussten diese ihr Verhalten durch Zwang verändern, damit ihnen zukünftig keine schlechten Bewertungsgespräche anheim fallen. Durch die positive Bestärkung an der digitalen Handwasch-Tafel wurden sie direkt belohnt und nicht mehr kontrolliert. Menschen reagieren auf Kontrolle mit minimaler Pflichterfüllung. Auf positive Bestärkung reagieren sie hingegen mit wohlwollendem Engagement. Somit können sie sich viel leichter für Tätigkeiten motivieren, die ihnen ansonsten nur lästig erscheinen.

Sharot führt aus, dass die Zukunft nicht greifbar ist, weshalb es uns schwer fällt, Verhaltensänderungen umzusetzen, deren Erfolg erst in der Zukunft geerntet werden kann. Das leckere Steak und die Zigarette nach dem Essen sind uns im Hier und Jetzt einfach wichtiger, als die ernsten Gespräche mit unserem Hosenbündchen oder dem Lungenarzt in der Zukunft. Es ist doch offensichtlich: Wer mehr Sport treibt und dadurch abnimmt, hat zukünftig eine Belohnung durch mehr Gesundheit, Ausdauer oder ein sportlicheres Erscheinungsbild. Die Verhaltensänderung wird dann Teil des eigenen Habitus –Teil unseres Lifestyles., wenn Sie so wollen. Und trotzdem lassen wir uns davon abhalten, das Vorhaben umzusetzen.

Der Trick besteht also darin, Leute im Hier und Jetzt für ein Verhalten zu belohnen, welches sich positiv auf ihre Zukunft auswirkt, so die Motivationsexpertin. Das bringt uns auch schon zum dritten Faktor – der Motivationssteigerung.

3-Progress-Monitoring (also die Überwachung des eigenen Fortschritts). Dabei sollten die Früchte des Erfolges klar im Vordergrund stehen. Einem rauchenden Jugendlichen hilft es in jedem Fall mehr, wenn man betont, welche Vorteile eine rauchfreie Zukunft bringt (weniger Kosten, höhere Gesundheit, längeres Leben), als mit Schockbildern auf den Packungen eine fatale Negativwendung in der Zukunft zu plakatieren.

pop art attraktive akademikerin

Vor diesem Hintergrund erscheint es plötzlich gar nicht mehr so schwierig, flächendeckende und langfristige Alternativen für ungewünschte Verhaltensmarotten umzusetzen. Stellen Sie sich vor, Mitarbeiter würden für ein klimaneutrales Verhalten im Straßenverkehr (z.B. mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen) finanzielle Vorteile oder Steuervergünstigungen erzielen können. Manche US-Unternehmen haben mit Fitness-Uhren bei ihrer Belegschaft schon bahnbrechende Gesundheitsförderungen umsetzen können. Das Geheimnis besteht auch hier darin, positives Verhalten direkt zu belohnen, anstatt negatives Verhalten mit schlimmen Zukunfts-Prophezeiungen zu erzwingen. Wer einen positiven Kurs also irgendwie dokumentiert, wird eher geneigt sein, ihn auch beizubehalten. Laut Tali Sharot erzeugt die Angst vor einer schlimmen Zukunft eine mentale Stagnation, ohne das Problem selbst anzugehen. Angst führt zu Stillstand. Echte Motivation entspringt der Erkenntnis, mit einem bestimmten Verhalten im Hier und Jetzt Pluspunkte für eine tolle Zukunft zu sammeln.

Wenn Sie sich also das nächste Mal fragen, weshalb Sie Ihr Verhalten partout nicht ändern können, hinterfragen Sie die drei Grundelemente gelungener Motivation Soziale Anreize, unmittelbare Belohnungssysteme und Überwachung des Fortschritts.

Quelle:

„How to motivate yourself to change your behaviour | TaliSharot| TEDxCambridge“.  Beitrag der TEDx Talks Reihe an der Universität von Cambridge. Am 28.10.2014 von “TEDx Talks” auf Youtube hochgeladen.

Weitere interessante Beiträge aus dem VIP Magazin

Pop Art Herz Gehirn
Pop Art Frau mit Buch
Pop Art Herzen
Pop Art Hintergrund
Herz ballon
Portrait Cornelia Scheck