Man muss, solange man lebt, lernen, wie man leben soll. Dabei spielt unsere Persönlichkeit die Schlüsselrolle zu unserem Handeln, unserem Auftreten und unseren Entscheidungen… im Job, in der Liebe, einfach immer. Grund genug sich intensiver damit auseinander zu setzen.
Wir alle kategorisieren unsere Umwelt, um sie für uns einordnen zu können. Meistens sind wir dabei nicht unbedingt freundlich – zumal viele alltägliche Klischee-Kategorisierungen exklusiv in unseren Köpfen bleiben. Jean Kummerow befasst sich mit dem Myers-Briggs-Type-Indicator (MBTI). Ein Persönlichkeits-Indikator nach Katherine Cook Briggs und Isabel Myers, der uns Möglichkeiten aufzeigen kann, unsere Umwelt positiv zu framen.
Es geht beim MBTI-Ansatz um die Art und Weise, wie wir Energie aufbringen, Informationen sammeln, Entscheidungen treffen und unser Leben führen. Im Kern steht stets die Frage, wo ein Individuum seine/ihre persönliche Präferenz setzt, denn grundsätzlich tragen Menschen immer beide Seiten eines Persönlichkeitspaares in sich. Sie sind also fähig zu beidem. Trotzdem entscheiden sie sich für eine der Handlungsmöglichkeiten, so Kummerow. Das Ziel ihrer Forschung ist es, diese Gegenteilpaare aufzuzeigen. Die renommierte Psychologin, Autorin und Persönlichkeits-Trainerin möchte darauf hinaus, uns von unseren bisherigen Gewohnheiten abzubringen, weil unsere Präferenz nicht immer in allen Situationen funktionieren kann. Probieren Sie also einfach einmal das Gegenteil von dem, was Sie sonst getan hätten. Wie das funktionieren soll und worauf Sie achten müssen, entscheidet sich über vier Fragen mit jeweils zwei Entscheidungsmöglichkeiten:
Quelle: Screenshot aus URL: https://www.youtube.com/watch?v=gBkIyJ7kf_I (00:16:20)
Zunächst zur Energie: Um aus der Motivation heraus Kraft für eine Handlung zu generieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entscheidend ist hier, ob jemand extrovertiert oder introvertiert ist. Extrovertierte Persönlichkeiten lassen ihre Energie heraus, damit andere reagieren und geteilte Informationen sinnvoll aufgreifen können. In jedem Fall wird irgendeine (eine) Form von Antwort auf diese Vorleistung von Energie zurückkommen… und damit kommt (meistens) die Energie zurück. Extrovertierte kommunizieren ihre Ideen laut und verwirklichen sie dadurch im Dialog mit anderen.
Introvertierte Menschen behalten ihre Energie lieber bei sich. Vor dem inneren Auge wägen sie Ideen und Risikofaktoren ab, reflektieren das Gesagte… aber eben meistens in Stillarbeit. Wenn ein extrovertierter Charakter in einem nicht endenden Monolog referiert, kann es durchaus vorkommen, dass alle Introvertierten am Tisch denken „Wenn der/die endlich ruhig wäre, könnten wir am Problem weiterarbeiten“. Gleichzeitig fragt sich der extrovertierte Referent vielleicht, ob die Introvertierten im Raum überhaupt wach sind und zuhören. Verstehen Sie mich nicht falsch: Beide Wege führen nach Rom – der laute und der leise. Es kommt auf unsere Persönlichkeit an, welcher Weg für uns persönlich der geeignetste ist. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass beiden Seiten sich nicht gegenseitig nachvollziehen können. Stille ist für Introvertierte eine Bedenkzeit… für Extrovertierte ist sie die Gelegenheit, eigene Ideen vorzubringen.
Ebenso verhält sich die Dichotomie bei Zwischenfragen und Einwürfen. Extrovertierte lieben es, wenn nachgehakt wird. Das zeigt ihnen, dass ihr Gegenüber mitdenkt und mitmacht. Dies erzeugt Gemeinsamkeit und kann das Engagement des extrovertierten Redners befeuern. Für Introvertierte grenzen Zwischenfragen und Unterbrechungen an Schikane. „Kann der/die nicht zuhören oder wollen die mich vielleicht sogar aus dem Konzept bringen?“ sind hier beliebte (aber leider meist falsche) Interpretationen. Wer also wissen möchte, worauf eine extrovertierte Person hinaus möchte, hat meist nicht richtig zugehört. Wer sich fragt, was eine introvertierte Person gerade denkt, hat nicht gefragt.
Die Art wie wir Informationen aufnehmen, teilt sich in Intuition und Wahrnehmung. Man kann über ein und dasselbe Thema sprechen, und doch mehrere Sichtweisen auf die Problematik erzielen – abhängig von der Linse durch die die Welt erfasst wird. Für sensorische Fans der Wahrnehmung, spielen die praktischen Dinge eine Hauptrolle. Sie wollen Zusammenhänge einfach und nachvollziehbar gestalten. Intuitiv denkende Persönlichkeiten grübeln lieber außerhalb der Box. Sie betrachten das Gesamtbild und knüpfen kreative Verbindungen zu neuen Ideen. Immer wenn Sie hören, dass jemand ein Problem von einer ganz anderen Seite betrachtet, haben Sie höchstwahrscheinlich eine intuitiv denkende Person vor sich.
Beide Perspektiven besitzen das Potenzial, etwas Großartiges zu erschaffen. Für Kummerow spricht vieles dafür, dass Thomas Edison ein sensorisch denkender Mensch war. Albert Einstein wiederum war ein intuitiver Denker. Diese Unterscheidung lässt sich schon an einzelnen Zitaten der beiden Genies festmachen. Es geht also um das berühmte von A nach D kommen. Intuitive Persönlichkeitstypen arbeiten sich in gedanklichen Schritten von A nach D vor, ohne B und C zu benötigen. Sensorische Typen kommen um diese Zwischenschritte nicht herum. Intuitive Menschen sind dabei nicht schlauer… sie schlussfolgern nur anders und ein Blick in die Geschichte renommierter Denker beweist uns, dass es auch hier kein Besser und Schlechter gibt… nur eine unterschiedliche Herangehensweise.
Denken und Fühlen: Wie treffen wir Entscheidungen? Auch hier kann man eine Unterteilung vornehmen. Auf der einen Seite steht das Denken und auf der anderen das Fühlen. Vermutlich können Sie sich auch hier relativ schnell einer der beiden Seiten zuordnen. Sind Sie Rationalist oder hören Sie lieber auf Ihre Gefühle und treffen Bauchentscheidungen? Denker-Persönlichkeiten betrachten Entscheidungsprozesse aus einer distanzierten, objektiven Perspektive. Sie schauen sich die Vor- und Nachteile an, wägen Konsequenzen ab und treffen eine Entscheidung, von der sie währenddessen völlig losgelöst sind.
Gefühls-Persönlichkeiten gehen emotional in den Entscheidungsprozess hinein. Sie lassen eigene Wertemuster in die Entscheidung einfließen und hinterfragen die Auswirkungen beider Entscheidungswege für alle Beteiligten. Das mag zunächst so klingen, als würden Gefühls-Persönlichkeiten empathischer entscheiden. Das ist auch wieder nur eine von zwei möglichen Perspektiven, so Kummerow. Für manche definiert sich Fairness, sobald alle Akteure einer Entscheidung nach gleichen Standards bewertet werden. Gefühls-Menschen betrachten Fairness eher situativ anhand der konkreten Situation.
Für Denker sind alle Menschen gleich. Für Gefühls-Persönlichkeiten ist dies nur dann erfüllt, wenn jeder das erhält, was er/sie tatsächlich benötigt. Für Rationalisten mag es somit eine logische Kosten-Entscheidung sein, alle Mitarbeiter einer Produktionshalle zu entlassen und die Fertigung ins Ausland zu verlegen. Für Gefühls-Personen wäre dies solange ein No-Go, bis für alle Mitarbeiter der Fertigung eine adäquate Anschlussbeschäftigung gefunden ist. Sie gehen also durchaus von der empathischen Seite an die Entscheidung heran, nicht auf Basis von rationalen Gewinn-Statistiken oder einem lukrativen Break-Even-Point.
Kummerow hält eine weiteres gutes Beispiel parat: Stellen Sie sich vor, in einem Projekt eingespannt zu sein. Völlig egal, ob es eine organisatorische Kalkulation bei der Arbeit ist, oder die Aufgabe darin besteht, den Garten umzugraben. Ab welchem Punkt würden Sie sich ein anerkennendes Feedback wünschen? Eher am Anfang, in der Mitte des Fertigstellungsprozesses, oder erst, wenn Sie am Schluss Ihre Ergebnisse vorstellen. Haben Sie eine Entscheidung getroffen? Hier die verblüffende Antwort:
Denker-Persönlichkeiten wollen immer erst am Ende ihrer Arbeit eine Anerkennung haben.
Gefühls-Persönlichkeiten können schon währenddessen nicht genug Feedback erhalten. Das bedeutet nicht, dass man sie für jeden einzelnen Arbeitsschritt tatsächlich loben muss. Meist reicht es schon aus, die Gefühls-Menschen positiv zu bestärken. Ein einfaches „Viel Erfolg“ oder ein „Sehr gut… weiter so!“ kann schon Wunder wirken. Bleibt dies aus, bekommen Gefühls-Menschen den Eindruck, ihre Arbeit würde nicht ausrechend wertgeschätzt werden. Dies wirkt sich meist negativ auf ihr Arbeitsengagement aus. Wenn man hingegen einen Denker zu früh lobt, erweckt man den Eindruck, dass man selbst kein gutes Gespür für gelungene/schlechte Arbeitsstandards hat.
Denker fragen sich, weshalb sie gelobt werden, obwohl sie noch gar nicht fertig sind. Beide Perspektiven sind rational nachvollziehbar und führen (qualitativ) zum gleichen Ziel, doch die Kommunikation auf dem Weg dahin könnte nicht unterschiedlicher sein. Kummerow hält für jeden der beiden Typen einen Vorschlag parat: Gefühlsmenschen sollten sich aktiv hinterfragen „Was ist in einem Entscheidungsprozess essentiell wichtig?“. Denker-Persönlichkeiten sollten fragen „Wer wird durch die Entscheidung wie beeinflusst? Was macht meine Entscheidung mit den beteiligten Akteuren?“
Das letzte Kriterium entsteht aus der Dichotomie zwischen beurteilenden und wahrnehmenden Menschen. Hieraus lassen sich grundsätzliche Lebenseinstellungen unterscheiden. Erstere sind Meister der klaren Entscheidungsfindung. Sie können mit autoritärer Bestimmtheit Gesamtabläufe strukturiert zusammenfassen und eine Agenda mit entsprechenden Anweisungen für andere planen. Wahrnehmende Menschen hingegen lassen sich erst auf den Prozess ein und entscheiden dann intuitiv und situativ alles Weitere. Sie schwimmen erstmal im Strom der Aufgaben mit und delegieren erst dann einzelne Teilschritte, wenn sie entstehen. Lieben Sie es auch so wie ich, anhand von To-Do-Listen zu arbeiten und einzelne Teilschritte abzuhaken, sobald diese erledigt sind? Dann sind Sie definitiv ein beurteilender Charakter.
Haben Sie schon einmal ein Billy-Regal aufgebaut? Es gibt jene Charaktere, die erstmal alles auspacken, die Komponenten sortieren, die Schrauben zählen und dann Schritt für Schritt zur Tat schreiten. Andere legen direkt los und suchen sich die Teile erst dann aus dem Karton, wenn die Bauanleitung dies verlangt. Im Resultat bauen beide das Regal auf… wer dabei am Ende schneller oder effizienter arbeitet, entscheidet sich über den Persönlichkeitstyp – sowie anhand der gestellten Aufgabe und nicht anhand derer die sie auf Basis ihrer Persönlichkeit lösen.
Wie definieren Sie den Begriff „Plan“? Beurteilende Personen antworten, dass ein Plan der systematische Weg zur Erreichung einer Zielvorgabe ist. Wahrnehmende Charaktere betrachten Pläne als mögliche Optionen auf dem Weg zum Ziel.
Fassen wir also die Dichotomien noch einmal zusammen, erhalten wir 16 mögliche Persönlichkeits-Konstellationen.
-Wie erhalten wir Energie: Durch extrovertierte Kommunikation oder introvertiertes Grübeln?
-Wie sammeln wir Informationen: Durch Intuition oder Wahrnehmung?
-Wie treffen wir Entscheidungen: Durch Gefühle oder rationale Logik?
-Wie führen wir unser Leben: Beurteilend oder wahrnehmend?
[Das „N“ steht hier für „Intuition“, weil das „I“ bereits bei der Variabel „Introvertiert“ Verwendung findet.]
Quelle: Screenshot aus URL: https://www.youtube.com/watch?v=gBkIyJ7kf_I (00:16:51)
Wer somit den eigenen Persönlichkeitstyp kennt, die daraus entspringenden Stärken und Schwächen beurteilen kann und ihre Wirkung auf die Umwelt vorhersieht, wird sein eigenes Potenzial steigern können. Zugegeben: Auf Anhieb bei jemandem festzumachen, ob es sich um einen introvertierten, sensorischen und denkenden Beurteiler handelt (ISTJ) oder einen extrovertierten, intuitiven, fühlenden Wahrnehmer (ENFP)… oder einen der anderen 14 Typen, ist alles andere als einfach. Wer sich allerdings etwas Zeit nimmt, wird Grundsätzliches über sich und andere lernen können, wovon er/sie langfristig etwas hat.
Quelle:
„What`s your Type? | Jean Kummerow | TEDx Grinnell College 2016”. Am 03.02.2017 von „TEDx Talks“ auf Youtube hochgeladen.
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